Zu meinem Artikel „Visionen für den westlichen Stadteingang“ gab es in letzter Zeit einige Fragen und Kommentare, die eine mögliche Verlängerung der Straßenbahn nach Westen betreffen. Tatsächlich ist das Thema Straßenbahn in meinem Text etwas kurz gekommen – einige Gedanken hierzu will ich daher hier nachtragen.
Grundsätzliches
Städtebauliches Planungen müssen immer verschiedene und zahlreiche Disziplinen zusammenführen. Städtebau ist daher nicht nur das Erschaffen von städtischen Räumen und das Platzieren von Bauvolumen. Es geht auch u.a. um die Festlegungen von
- Nutzungen und Ausnutzungen
- Entwicklungszielen
- Gestaltungszielen und Qualitäten
- wirtschaftlichen Zielen
- Umweltaspekten
Natürlich geht es auch um das Thema Technik. Dazu gehören natürlich die meist unterirdischen Ver- und Entsorgungssysteme. Deutlich präsenter ist jedoch das Thema Verkehr. Ohne eine funktionierende Erschließung kann eine Stadt nicht existieren. Verkehr teilt sich auf in verschiedene Verkehrsmittel mit verschiedenen Auswirkungen. Dabei werden Fuß- und Radverkehr aus naheliegenden Gründen positiv bewertet, während der motorisierte Individualverkehr aufgrund der ausgehenden Emissionen und Gefährdungen und des Platzbedarfes eher negativ gesehen werden kann.
Einen Zwitter stellt der öffentliche Personennahverkehr dar: Dieser trägt nicht unwesentlich zur Reduzierung des PKW-Verkehres bei und ist aufgrund umweltfreundlicher Antriebssysteme emissionsärmer. Gleichzeitig haben solche Verkehrsmittel einen höheren Platzbedarf als die anderen Systeme.
Gewichtung
Grundsätzlich sind alle oben genannten Aspekte in eine städtebauliche Lösung einzuarbeiten. Im Idealfall können alle Ziele erreicht werden und alle Anforderungen erfüllt werden. Dieser Idealfall ist immer anzustreben. Die Gewichtung der Aspekte ist dabei von Situation zu Situation abzuwägen und es bleibt natürlich auch nicht aus, dass einzelne Punkte nicht berücksichtigt werden können.
Verkehr
Dem Thema Verkehr wurde mit dem Wirtschaftswunder in den 50er Jahren eine besondere Aufmerksamkeit zuteil. Das Auto, das sich seit dieser Zeit immer mehr Menschen leisten konnten veränderte das Land rasant. Immer mehr Straßen wurden durch die Landschaft getrieben, in den Städten blieb immer weniger Raum für Fußgänger. Selbst Gebäude und Grünanlagen gab man zugunsten von Stadtautobahnen auf. Die Stadtplaner dieser Zeit waren aber neben den Herausforderungen, denen sie sich nunmal zu stellen hatten auch geprägt von einer zukunftsgläubigen und technikbasierten Ideologie.

Erst die folgenden Generationen stellten fest, dass man nun eine zwar recht gute Infrastruktur hatte, der Mensch und die Umwelt aber auf der Strecke geblieben waren. Ein radikales Umdenken erfolgte. Andere Aspekte der Stadt- und Landschaftsplanung wurden wieder wichtiger. Dieser Prozess dauert bis heute an und ist immer noch nicht abgeschlossen. Dabei sollte nun klar sein, dass der Verkehr dem Menschen zu dienen hat und nicht der Mensch dem Verkehr.
Auch bei den Verkehrssystemen selbst findet dieser Prozess statt. Ziel muß es sein, den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren. Dies kann nur durch eine deutliche Erhöhung des Fußgänger- und Radverkehres und des öffentlichen Personennahverkehres realisiert werden.
Griesheim
Der Städtebau in Griesheim war sehr lange ziemlich autofixiert. Die Gehwege in den meisten Straßen sind zu schmal, echte und durchgehende Radwege gibt es innerhalb der Ortschaft so gut wie nicht. Die Straßenbahn auf der Hauptstraße ist zwar gut ausgebaut und fährt im dichten Takt. Sie erschließt aber nur den Mittelteil Griesheims und verbindet diesen nur in Richtung Osten mit der restlichen Welt, während der Norden und der Süden nicht über ein regelmäßig verkehrendes ÖPNV-System verfügen. Die zahlreichen Buslinien in das Ried haben dagegen für den Griesheimer Stadtverkehr nur nachrangige Bedeutung.
B26
Ein großen Hemmnis für Griesheim ist die Einstufung des Hauptstraßenzuges als Bundesstraße. Griesheim ist heute die größte Stadt Hessens, deren Haupteinkaufsstraße noch eine Bundesfernstraße ist und über deren zentralen Platz noch eine solche Straße führt. Die Konsequenzen z.B. auf die Ampelschaltungsprogramme haben die Griesheimer Fußgänger jeden Tag zu erdulden. Eine weitere Konsequenz ist die Vorhaltung von allen möglichen Abbiegespuren, die Platz auffressen, der an einigen Stellen besser genutzt werden könnte.
Straßenbahn als Entwicklungsmotor
Die heute recht gut funktionierende Griesheimer Innenstadt verdankt ihre Gestaltung eigentlich der Straßenbahn. Bis in die 1980er Jahre verlief die Straßenbahn zwischen der Haltestelle Hans-Karl-Platz / Am Markt (damals „Hofmannstraße“) und Platz Bar-le-Duc (damals „Schule“) noch auf der Straße. Die in den 1920er Jahren geschaffene eingleisige Situation mit einer seitlichen Gleislage war bis dahin unverändert geblieben. Das Gleis lag auf der Nordseite der Wilhelm-Leuschner-Straße. Nach Westen fahrende Bahnen schwammen auf der „richtigen“ Straßenseite, also in Fahrtrichtung gesehen rechts, mit. Bahnen in der Gegenrichtung mussten aber auch dieses Gleis benutzen. Sie fuhren damit im Linksverkehr, sozusagen auf der falschen Straßenseite. Diese Situation war gefährlich und konnte so nicht bleiben.
Eine Lösung wäre gewesen, die Straßenbahn einfach zweigleisig auszubauen und auf der Straße mitschwimmen zu lassen, so wie dies auf verschiedenen HEAG-Strecken bis heute funktioniert (z.B. Alt-Bessungen, Alt-Eberstadt, Seeheim).
Man entschied sich aber für eine große Lösung, vielleicht noch geprägt durch den Zeitgeist der 1960er und 1970er Jahre. Man trennte die einzelnen Verkehrssysteme auf. Fußgänger, fahrende und parkende Autos und Straßenbahnen bekamen jeweils eigene Spuren zugewiesen (die Radfahrer hat man irgendwie vergessen…). Um den großen Bedarf an Straßenbreite zu erreichen, wurde die komplette Nordseite des betreffenden Hauptstraßenabschnittes abgebrochen und zurückverlegt. Es entstand dadurch der Marktplatz und eine neue Geschäftszeile mit modern geschnittenen Ladengeschäften, die im Gegensatz zu der alten Bebauung zukunftsfähig sind.

Die Fußgängerzone vor der Ladenzeile ist übrigens auch ein technisches Ergebnis der Straßenbahntrasse. Da diese nun freigestellt war, durfte sie nicht mehr von zufahrenden Autos auf die Nordseite überfahren werden. Die betroffenen Häuser müssen daher von hinten angedient werden. Das Innenstadtprojekt setzte also voraus, dass auch noch dutzende Meter nördlich der Hauptstraße starke Veränderungen umgesetzt werden mussten. Es entstanden eine rückwärtige Erschließungsstraße und Kundenparkplätze.
Straßenbahn als Entwicklungshemmnis
So positiv wie sich die Straßenbahn auf die Innenstadt auswirkte, wirkte sie sich negativ auf die westlich gelegene Altstadt aus. Seit Jahrzehnten ist hier unklar, ob die Straßenbahn nun verlängert wird oder nicht. Es wurde daher lange die Option zur Verlängerung mit einer „Großen Lösung“ wie in der Innenstadt offen gehalten. Die Stadt räumte sich ein Vorkaufsrecht auf alle Gebäude auf der Nordseite der Hintergasse ein und erwarb auch bereits einzelne Gebäude. So sollte eine Straßenbahntrasse in Seitenlage auf der nördlichen Seite der Hintergasse umgesetzt werden können. Im Ergebnis führte dies zu großen Unsicherheiten für alle Anlieger. Es wurde wenig investiert. Der Stadtteil verkam etwas und ehemalige Innenstadtfunktionen in der Hintergasse gingen teilweise verloren. Die heutige unschöne Situation um das Nikolosehaus ist leider auch eine Folge.
Mittlerweile hat die Stadt ihr Vorkaufsrecht aufgegeben. Auf der Nordseite der Hintergasse entstand seitdem ein Neubau, ein Gewerbebetrieb mit Ladengeschäft sorgt außerdem wieder für eine Belebung.
Platz Bar-le-Duc
Im Jahr 2011 wurde der Platz Bar-le-Duc umgestaltet. Ich habe darüber in einem anderen Artikel geschrieben. Genutzt wurden hierzu Fördermittel, die mit der Auflage verbunden sind, dass die Endstation für einige Jahrzehnte nicht verändert werden darf. Eine Straßenbahnverlängerung ist damit erst einmal erschwert.

Wozu eine Straßenbahnverlängerung?
Grundsätzlich besteht glaube ich Einigkeit darüber das Straßenbahnsysteme eine attraktive Form des Nahverkehrs darstellen, die umweltfreundlich sind und dazu beitragen, den PKW-Verkehr zu reduzieren. Schauen Sie hier einmal nach Frankreich. Dort sind in den letzten 20 Jahren Dutzende neue und erfolgreiche Straßenbahnsysteme in fast allen größeren Städten des Landes hinzugekommen.
Die Frage nach dem weiteren Wozu? klärt sich über das Wohin?.
Klar ist, dass die Straßenbahn vom Platz Bar-le-Duc nur durch die Hintergasse verlängert werden und zum westlichen Ortseingang geführt werden kann. Eine Verlängerung durch die Pfungstädter oder Groß-Gerauer-Straße scheidet aufgrund der Enge der Straßen bzw. der Nichtfortsetzbarkeit nach einiger Wegstrecke. Alle Überlegungen zur Weiterführung müssen also von der Schulgasse südlich der Lutherkirche ausgehen.
Lange Zeit wurde nur eine Verlängerung der Bahn nach Riedstadt gesehen, quasi als Ersatz für die in den 1960er Jahren stillgelegte Eisenbahn von Griesheim nach Goddelau. Eine solche Linie ist aber nach jetzigem Kenntnisstand unwirtschaftlich. Zunächst einmal müsste ein über 3km langer Abschnitt ohne Haltestellen über Land gebaut werden. In Riedstadt stellt sich dann die Frage nach der Weiterführung. Sinnvoll kann nur eine Anbindung an die S-Bahnhöfe sein. Sowohl Goddelau als auch Wolfskehlen sind aber nur über schmale Ortsstraßen zu erreichen. Hier eine Straßenbahnstrecke selbst in Straßenlage hinzubekommen wird schwierig. Außerdem muß man sich ein bißchen in die Riedstädter hineinversetzen. Durch die S-Bahn ist eine Anbindung nach Frankfurt gegeben. Ein Massenverkehrsmittel nach Darmstadt hat dort daher nicht die Priorität, die man von Griesheim oder Darmstadt zu sehen meint.
Viel wichtiger halte ich daher die Möglichkeiten, eine Straßenbahnverlängerung für Griesheim selbst zu nutzen. Über eine Trasse nach Süden entlang des Westringes könnte das Wohngebiet Südwest erschlossen werden, eventuell mit einer Verlängerung entlang des Südringes Richtung St.-Stephan.
Noch interessanter erscheint im Moment aber einer Verlängerung nach Norden. Entlang der Büttelborner Straße könnte der Nordring überquert werden und dann parallel zum Nordring der Kreisel Nord erreicht werden. Damit könnten die nördlichen Wohngebiete besser erschlossen werden, vor allem würden aber erstmals die Gewerbeflächen im Norden an den ÖPNV angebunden, ein nicht zu unterschätzender Impuls für die wirtschaftliche Weiterentwicklung der Stadt.


Übrigens könnte in allen Varianten westlich der Lutherkirche eine Park+Ride Station entstehen, die dazu beitragen, den Durchgangsverkehr aus Riedstadt deutlich zu reduzieren.
Wie kann die Bahn verlängert werden?
Zunächst einmal ist klar, dass die Verlängerung nur durch die Hintergasse und die Schulgasse möglich ist. Nadelöhr ist hier der Bereich zwischen den Häusern Hintergasse 5 und 6. Hier beträgt die Straßenbreite etwas über 12 Meter. Breiter kann die Situation aufgrund der Eigentumsverhältnisse nicht werden. Wie oben gesagt, hat die Stadt ja bereits die Option auf den Kauf der nördlich gelegenen Häuser aufgegeben. An den 12 Metern entscheidet sich also die bauliche Art der Straßenbahntrasse, zumindest in diesem Bereich.

Eingleisig in Seitenlage?
Erster Ansatz wäre eine eingleisige Führung der Tram neben der Straße, so wie auch im Innenstadtabschnitt zwischen Platz Bar-le-Duc und Marktplatz. Der Platzbedarf einer solchen Führung sieht folgendermaßen aus:
2x 1,5m Gehweg (Mindestbreite)
2x 0,8m Seitenstreifen für Räder (ist eigentlich nicht breit genug)
1x 3,0m Bahntrasse
2x 3,00m Fahrspur Straße
———–
Summe: 13,60m
Die Straße ist aber nur 12,05m breit. Die Lösung funktioniert also nicht, selbst wenn wir die Bahntrasse noch etwas schmaler hinbekämen. Möglich wäre dies nur, wenn man auf die Radstreifen verzichten würde, was ich für ziemlich schlecht halten würde. Nicht unerheblich finde ich auch folgendes: Ein Parkstreifen vor den Geschäften auf der Südseite der Hintergasse ist gar nicht mehr möglich. Dies würde die Existenz der letzten Geschäfte in der Hintergasse massiv gefährden, dies ist wohl in niemandes Sinn.
Zweigleisig in Seitenlage?
Da eine eingleisige Führung in Seitenlage im östlichen Bereich der Hintergasse nicht möglich ist, ist auch klar, dass dies auch für die zweigleisige Lösung gilt:
2x 1,5m Gehweg (Mindestbreite)
2x 3,0m Bahntrasse
2x 3,0m Fahrspur Straße
———–
Summe: 15,0m
Die Lösung funktioniert selbst ohne Radweg und Parkstreifen nicht.
Erschließung von Grundstücken bei Seitenlage
Bei Führung der Bahn ein Seitenlage neben der Straße stellt sich zusätzlich die Frage, wie die Grundstücke auf der Seite der Gleise erschlossen werden sollen. Die Gleise werden ja in Seitenlage verlegt, um ein unabhängiges Fahren der Bahnen zu ermöglichen. Ein Überfahren der Gleise ist daher ungünstig bis unmöglich.
Eingleisig in Straßenlage
Aufgrund der Enge der Hintergasse entsteht schnell die Vorstellung, dass eine Lösung der Gleisführung der Situation auf der Hauptstraße bis in die 1980er Jahre gleichen könnte: Eine eingleisige Bahn AUF einer der Fahrspuren. Dies ist natürlich keine mögliche Lösung und wäre auch nicht genehmigungsfähig. Meines Wissens sind solche Lösungen auch seit über 70 Jahren nicht mehr neu gebaut worden.

Zweigleisig in Straßenlage
Die einzig mögliche Lösung besteht für den östlichen Abschnitt der Hintergasse aus einer zweigleisigen Führung in Straßenlage:
2x 1,5m Gehweg (Mindestbreite)
2x 0,8m Seitenstreifen für Räder (ist eigentlich nicht breit genug)
2x 3,00m Fahrspur Straße mit Gleis
———–
Summe: 10,60m
Die Straße ist wie gesagt an der engsten Stelle 12,05m breit, die Lösung würde also funktionieren. Vor den Geschäften weiter östlich ist die Straße dann etwa 12,60m breit, hier könnte also noch der jetzt auch vorhandene und unverzichtbare Parkstreifen mit 2,00m Breite realisiert werden.
Zwischenfazit
Im östlichen Abschnitt der Hintergasse ist platztechnisch nur eine zweigleisige Lösung in Straßenlage möglich.

Seitenlage im westlichen Abschnitt
Natürlich ist es denkbar, die Straßenbahn im westlichen Teil der Hintergasse, die sich platzartig erweitert, an der erstbesten Möglichkeit in Seitenlage zu versetzen. Es stellt sich hier nur die Frage nach dem Sinn. Die Einführung in die Seitenlage bzw. die Einfädelung in die Straße würden eine zusätzliche Ampelanlage erfordern, die zwischen den Kreuzungen mit der Oberndorferstraße und der Pfungstädter Straße installiert werden müsste. Da für den Bereich nördlich der Schulgasse und südlich der Lutherkirche leider die Bebauung mit Reihenhäusern hinter einer Lärmschutzwand beschlossen wurde, ist eine Führung in Seitenlage nur auf der südlichen Straßenseite sinnvoll. Hier liegen aber diverse Grundstückszufahrten sowie der Parkplatz an der alten Synagoge. Die Trasse müsste hier jeweils kompliziert gekreuzt werden.
Eine sinnvolle Gestaltung des Bereiches Goldene Insel / Riedhof jenseits von verkehrlichen Aspekten wäre unmöglich.
Da die Straßenbahn gezwungenermaßen in der östlichen Hintergasse bereits auf der Straße fahren müsste, stellt sich die Frage, welchen Mehrwert eine Führung in Seitenlage dann noch hätte.

Es sei noch darauf hingewiesen, dass das derzeit letzte Haus in der Schulgasse auf der nördlichen Seite die Straßenbreite hier auf 16m einengt. In diesem Bereich müssen aber vernünftige Radwege und Fußgängerwege Platz finden (Siehe oben Variante 2 zzgl. 2 Radweg von 1,50m Breite = 18,00m). Eine zweigleisige Führung der Bahn in Seitenlage ist daher hier nicht möglich. Um hier unbedingt in Seitenlage zu fahren, müsste die Bahn also zunächst
- zweigleisig in Straßenlage in der östlichen Hintergasse fahren,
- dann im Bereich der westlichen Hintergasse in Seitenlage wechseln,
- wo sich die Gleise von zwei auf eines reduzieren müssten.
- Dann würde man eingleisig also aus Griesheim herausfahren und
- am Ortsrand wieder zweigleisig werden.
Ich denke es erschliesst sich hier jedem, das dies keine umsetzbare Lösung ist.
Es bleibt in der Konsequenz nur die eine einzige Möglichkeit: Die Bahn muss zweigleisig in Straßenlage bis zum westlichen Ortsrand führen.
Gebaute Beispiele
Oftmals wird angeführt, dass eine Führung von Straßenbahnneubaustrecken in Straßenlage umzulässig sei oder zumindest hierfür keine Förderung gezahlt würde.
Das ist falsch.
Richtig ist, dass eine Führung von Straßenbahnlinien unabhänig von der Straße bei der Fördergeldvergabe absolut präferiert wird. Bei Teilabschnitten, die nicht anders zu lösen sind, werden hiervon aber regelmäßig Ausnahmen umgesetzt. Ich will hier nur einige aktuelle Beispiele aus der Region nennen:
- Mainz, Neubau „Mainzelbahn“: Zweigleisige Führung der Strecke in Straßenlage im Ortskern von MZ-Bretzenheim, zur Zeit im Bau
- Mannheim, Neubau „Stadtbahn Nord“: Zweigleisige Führung der Strecke in Straßenlage im Ulmenweg, Eröffnung 2016
- Heidelberg, Neubau „Kirchheimer Straßenbahn“: Zweigleisige Führung der Strecke in Straßenlage im westlichen Teil von HD-Kirchheim, Eröffnung 2006
- Frankfurt am Main, Neubau „Linie 18“: Zweigleisige Führung der Strecke in Straßenlage in der Friedberger Landstraße, Eröffnung 2011
- Frankfurt am Main, Neubau „Linie 17 Süd“: Zweigleisige Führung der Strecke in Straßenlage in der Stresemannallee, Eröffnung 2015
- Darmstadt (HEAG), Verlängerung in Arheilgen: Zweigleisige Führung der Strecke in Straßenlage in der Frankfurter Landstraße, Eröffnung 2011
Die Liste lässt sich noch lange fortsetzen…
Bundesstraße als Hinderung?
Die Hintergasse und die Schulgasse sind im Moment als Bundesstraße klassifiziert. Mir ist kein Regelwerk bekannt, dass eine Führung von Strassenbahngleisen in Straßenlage auf Bundesstraßen untersagen würde. Zahlreiche vorhandene Straßenbahnstrecken liegen auf Fahrspuren von Bundesstraßen, so zum Beispiel in Heidelberg-Neuenheim oder in der Heidelberger Straße in Darmstadt-Bessungen. Durch eine geschickte Ampelschaltung kann eine Straßenbahn in den PKW-Verkehr ein- und ausgefädelt werden. Im Verkehr fließt die Bahn dann einfach mit. So wie dies auch Sattelzüge und Gelenkbusse tun. Eine Verkehrsbehinderung geht von der Straßenbahn für den Indiviadualverkehr dann nicht aus und auch umgekehrt kann durch eine geschickte Schaltung der Ampeln eine Behinderung der Bahn durch die Autos fast ausgeschlossen werden.
Da die Umsetzung einer Straßenbahnverlängerung noch viele Jahre dauern würde stellt sich darüber hinaus die Frage, ob bis dahin die Griesheimer Hauptstraße immer noch eine Bundesstraße sein wird. Ein Blick auf andere deutsche Regionen zeigt: Das Netz der Bundesstraßen wird durch den Bund immer weiter ausgedünnt. Bundesstraßen werden zu Landesstraßen abgestuft, wenn Autobahnen in der Nähe den Fernverkehr aufnehmen können, sogar selbst wenn sie in einiger Entfernung liegen. Als Beispiel sei hier Südthüringen genannt, wo in den letzten Jahren die meisten Bundesstraßen verschwunden sind. Und auch in Südhessen wurde bereits die B42 zwischen Büttelborn und Eltville abgestuft, ebenso wie die B3 zwischen Egelsbach und Frankfurt oder die B40 zwischen Hanau und Fulda. Die B46 ist vollständig aufgegeben worden. Sie verlief zwischen Sprendlingen und Offenbach.
Es stellt sich auch die Frage, ob die B26 zwischen Darmstadt und Wolfskehlen wirklich eine Fernstraße im Wortsinne ist, die einen gewissen Ausbaustandard rechtfertigen würde. Aus meiner Sicht ist hier eine Abstufung nur eine Frage der Zeit.
Wenn die Klassifizierung als Bundesstraße ein Problem wäre, dann wäre übrigens die Verlängerung der Bahn generell vom Tisch, da, wie oben ausgeführt, in der östlichen Hintergasse nur eine zweigleisige Führung in Straßenlage möglich ist.
Kanal als Hinderung?
Bei einer Verlängerung der Straßenbahn im östlichen Abschnitt der Hintergasse würde die Straßenbahn zwangsläufig in Abschnitten über dem Abwasserkanal fahren müssen. Der mangelnde Platz lässt hier keine anderen Lösungen zu. Hier muß also in jedem Fall eine Lösung gefunden werden. Im weiteren Verlauf kann man dies entfädeln. In der Schulgasse liegt der Kanal auf der Südseite, dieser bliebe sowieso frei.
Generell stellt der Bau einer Straßenbahn einen massiven Eingriff in den Straßenraum dar, bei dem auch ein Abwasserkanal an die Situation angepasst wird. Die Lage des jetzt vorhandenen Kanals oder dessen Beschaffenheit stellt aber keinen grundsätzlichen Hindergrund dar sondern lediglich eine zu lösende technische Fragestellung.
(Wenn der Kanal ein Problem wäre, dann kann die Straßenbahn sowieso gar nicht verlängert werden und das Thema wäre erledigt, egal in welcher Trassenführung. Und das das Thema immer zu lösen ist, zeigen die Dutzenden Kilometer Neubaustrecken in Deutschland, dei jährlich erstellt werden.)
Platz Bar-le-Duc
Ein Hindernis für die Verlängerung sind die oben schon erwähnten Förderauflagen für die Umgestaltung des Platzes im Jahr 2011. Eine Veränderung der Situation durch die Verlängerung der Bahn wäre also vor Ablauf der Fristen eine Sache von Verhandlungen mit den Fördergeldgebern. Es ist hier aber möglich, die Bahn zweigleisig zu verlängern und dabei nur in wenigen Teilbereichen in die Platzgestaltung einzugreifen. Vielleicht kann über eine solche Argumentation eine frühere Umsetzung realisiert werden.
Wann kann die Verlängerung geschehen?
Die nötigen Planungsleistungen und die Umsetzung einer Straßenbahnverlängerung würden Jahre in Anspruch nehmen. Da im Moment das Thema nicht ganz oben auf der politischen Agenda steht und, wie oben dargelegt ja noch viele Fragen vorab zu klären wären, muss leider von einem Umsetzungsbeginn (wenn er den gewollt wird) in Jahrzehnten ausgegangen werden.
Entscheidung ist jetzt nötig
Hier zeigt sich das Dilemma: Über eine Straßenbahnverlängerung wird erst in vielen Jahren entschieden werden. Über die Gestaltung des westlichen Ortseinganges muss aber jetzt entschieden werden, ansonsten droht die in einem früheren Artikel bereits beschriebene Katastrophe. Es muss endlich die Situation beendet werden, in der über die Straßenbahnverlängerung in vielen Ausbauvarianten spekuliert wird. Dies bedeutet die weitere Zerstörung des westlichen Ortsteiles. Wie oben gezeigt gibt es nur eine mögliche Variante zur Verlängerung der Bahn: Die zweigleisige Variante in Straßenlage. Diese gilt es für die Zukunft offen zu halten. Glücklicherweise ist dies auch die Variante, die noch Raum für weitere stadtplanerische Maßnahmen, wie die Schaffung von Gebäudevolumen, bereit hält. Sie ist die Variante, die neben dem Verkehr auch andere Aspekte berücksichtigt wie
- Stadtbild
- Option auf Wohnraumschaffung
- Aufenthaltsqualität
- Stadtgeschichte
- Weiche Faktoren (Wirkung auf Besucher der Stadt)

Kosten
Die Frage nach den Kosten einer Straßenbahnverlängerung soll hier nicht ganz unbeantwortet bleiben. Als Beispiel sollen aktuelle Zahlen eines Projektes in Mainz herangezogen werden. Hier ist gerade eine ein Neubau einer Linie von der Innenstadt zum Lerchenberg in Bau. Die Eröffnung ist für Ende 2016 geplant. Die Streckenlänge beträgt 9,2 Kilometer. Die Kosten betragen lt. Veröffentlichung im April 2016: 88 Mio Euro.
Daraus ergeben sich Kosten von ca. 9,5 Mio € / km. Für eine Strecke vom Platz Bar-le-Duc zum Griesheimer Norden ergäben sich daher Kosten 34,2 Mio Euro bei einer Streckenlänge von ca. 3,6km.
Bei den Vergleichzahlen aus Mainz ist aber zu beachten, daß die Strecke größtenteils durch bereits bebautes Gebiet führt und diverse Kunstbauten wie Brücken und Unterführungen nötig sind. In Griesheim wäre lediglich der Abschnitt Hintergasse und Schulgasse in bereits bebautem Gebiet zu realisieren, die restliche Strecke würde durch ebenes und bisher unbebautes Gebiet führen, sodass sich die Kosten sicherlich auf unter 30 Mio Euro reduzieren ließen.
Sehr gut und verständlich erklärt!
danke!