Berg und Tal im Flachland

oder: Dalles hat nichts mit Texas zu tun

Von den Herren von Dornberg haben wir ja schon beim letzten Mal gehört. Ihre Burg stand (bzw. steht immer noch) im gleichnamigen Groß-Gerauer Stadtteil. Dort ist es, wie im ganzen Gerauer Stadtgebiet und auch in der weiteren Umgebung ziemlich flach.

Aber wieso wird dann in alten Texten vom „Thal Dornberg“ gesprochen?

Der heutige Ort Dornberg war immer eng mit der Burg Dornburg verbunden. Was von beiden zuerst da war, ist nicht ganz sicher zu sagen. Die Lage des Ortes neben der ehemaligen römischen Siedlung im Gebiet des heutigen Stadtteiles „Auf Esch“ muß nicht zufällig sein.

Burg Dornberg (Groß-Gerau) mit Ritter
Burg Dornberg (Groß-Gerau) mit Ritter

Wahrscheinlich war aber die Burg aufgrund des Namens (wir werden zum Namen und zu den Dornbergern im nächsten Artikel etwas mehr hören) zuerst da. Neben der Burg wurden die Burgmannen in einer eigenen Siedlung, die auch eine Befestigung erhielt, angesiedelt. Sie war damit kein eigenständiges Dorf, sondern gehörte funktionell zur Burg. Wohnort der Kaufleute, Bauern und Handwerker war dagegen Groß-Gerau.

Mit der Zeit war es aber doch notwendig, sprachlich zwischen Burg und Siedlung Dornberg zu unterscheiden. Man sprach daher von „Dornberg die Burg“ und „Dornberg zu dalis“ oder „Thal Dornberg“, und das teilweise bis ins 19. Jahrhundert hinein. Man übertrug also das Bild, dass man aus etwas bergigeren Landschaften kannte auf das Flachland: Die Burg steht auf dem Berg – im Tal ist dagegen das Dorf.

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Burg Rheinfels über St. Goar am Rhein

Übrigens haben wir dieses Bild – zumindest den ersten Teil – immer noch im Kopf: Eine Burg verorten wir gedanklich gerne auf einer Bergkuppe. Dabei lagen von den etwa 12.000 Burgen in Deutschland  die meisten im Tal oder im Flachland. Warum sich trotzdem das Bild der Burg auf dem Berg durchgesetzt hat ist ganz einfach: Zum einen hängen die Begriffe Burg und Berg zusammen, sie haben den gleichen etymologischen Ursprung. Zum anderen sind die Burgen auf den Bergen aufgrund ihrer abseitigen Lage meist besser erhalten. Ihre Vertreter im Tal oder im Flachland wurden dagegen eher überbaut, zu Schlössern umgestaltet oder zur Gewinnung von Steinmaterial abgebrochen. Außerdem sind die Burgen auf den Bergen oft etwas jünger: So lag die erste Burg Bickenbach in der Ebene neben der heutigen Raststätte Alsbach („Burg Weilerhügel“). Später wurde sie an den Odenwaldrand verlagert und ist heute als Alsbacher Schloss bekannt. Ältere Burgen waren oft aus Holz. In Verbindung mit einer Lage im Tal in Bachnähe (Beispiele hier und hier) muss von einer Lebensdauer einer solchen Burg von 25 Jahren ausgegangen werden. Ein solches Schicksal mag auch die mögliche Burg in Griesheim gehabt haben. Jüngere Burgen dagegen sind eher aus Stein und somit ein bißchen haltbarer.

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Die Evangelische Kirche am „Dalles“ in Weiterstadt

Nach dieser kleinen Abschweifung vom Thema möchte ich aber noch auf einen Punkt hinweisen. Wir haben ja oben die Formulierung „Dornberg zu dalis“ gelesen. Dieses „dalis“ mag eine Erklärung der in Süd- und Rheinhessen verbreiteten Bezeichnung „Dalles“ für den Ortsmittelpunkt sein: Es handelt sich um Treffpunkt des einfachen Volkes.


Quellenangabe / Literaturhinweis: Franz Flach: Die Dornburg und ihre Bewohner, Groß-Gerau, 1993 (erhältlich im Stadtmuseum Groß-Gerau).


Dieser Artikel ist Teil einer Reihe von Artikeln über die mögliche gescheiterte mittelalterliche Stadtgründung von Griesheim, die möglichen Gründer (Grafen von Katzenelnbogen) und die Frage, wie diese die Macht in Griesheim übernommen haben. Zu der Artikelreihe gehören:

2 Gedanken zu „Berg und Tal im Flachland“

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