706 Jahre Stadtrechte in Ober-Ramstadt

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Alter Ortskern in Ober-Ramstadt: Im Vordergrund das Alte Rathaus (heute Museum), im Hintergrund die Evangelische Kirche

Heute vor 706 Jahren verlieh Kaiser Heinrich VII. das Stadtrecht für den Ort Ober-Ramstadt an den Grafen Eberhard I. von Katzenelnbogen. Ober-Ramstadt ist als Stadt damit 20 Jahre älter als Darmstadt, das heute die mit Abstand wichtigste Stadt in Südhessen ist.

Die Urkunde, ausgestellt in Frankfurt am Main, verleiht Eberhard für seinen Ort „Ramstat“ die gleichen Freiheiten und Rechte, derer sich die Stadt Frankfurt bereits „erfreue„. Für seine „willigen Dienste“ erhält der Graf außerdem das Marktrecht um den „Nutzen der dortigen Verkäufer und Käufer zu fördern und den wechselseitigen Gewinn zu mehren„.

Interessant ist allerdings gerade für alle Nicht-Ober-Ramstädter folgender Abschnitt der Urkunde:

„…, opidumn suum Ramstat, quod de novo fossare et alijis ad ipsius municionem spectantibus munire cepit,…“

Dies wird übersetzt mit:

…ihm seine Stadt Ramstadt, die er soeben von neuem mit Gräben und anderen Befestigungswerken umgibt,…

Ich kann immer noch kein Latein, bin aber wieder mal der Meinung, das die Übersetzung nicht ganz wörtlich ist. Glauben wir aber mal der Übersetzung und wir entdecken Erstaunliches: Bisher ging ich immer davon aus, dass man erst nach der Verleihung der Stadtrechte mit dem Bau von Stadtmauer und Graben beginnen durfte.

In Ober-Ramstadt scheint dies aber genau umgekehrt gewesen zu sein: Eberhard hatte bereits begonnen, den Ort zu befestigen bevor er die Rechte dazu erhielt. Die Formulierung „von neuem / de novo“ weist sogar darauf hin, daß er diese Befestigungsarbeiten hier nicht zum ersten Mal ausführen ließ.

ober ramstadt
Rekonstruktion der Altstadt von Ober-Ramstadt. Die eiförmige Ortsform folgt dem Rekonstruktionsvorschlag aus der unten genannten Quelle. Die gestrichelte kleinere Fläche ist ein Vorschlag von mir, der sich an anderen Beispielen von Katzenelnbogener Städten, wie z.B. Reinheim, orientiert.

Offensichtlich war die Stadtrechtsverleihung also nicht zwangsläufig der erste Schritt zu einer Stadtgründung. Dies konnte auch im Prozess oder vielleicht auch zu dessen Ende erfolgen.

Oder: Wenn die Stadtrechtsverleihung vor den Bauarbeiten doch die Regel war, dann gibt uns die Urkunde von Ober-Ramstadt zumindest einen Hinweis, dass die Grafen von Katzenelnbogen mächtig genug waren, sich über das königliche Recht hinweg setzen zu können, Stadtrechte zu verleihen. Die Grafen waren offensichtlich in der Lage, dies straflos nachträglich legalisieren zu können.

Was wäre, wenn es noch mehr Orte im Herrschaftsgebiet der Katzenelnbogener gegeben hätte, die auf Vorrat schon einmal als stadtartige Gebilde angelegt oder ausgebaut worden wären und die nachträgliche Legalisierung nie erfolgt ist?

Gibt es dafür Beispiele?


Die Übersetzungen stammen aus dem Buch: Magistrat der Stadt Ober-Ramstadt: Ober-Ramstadt. Eine Chronik zur Geschichte der Stadt. 700 Jahre Stadtrechte. 1310-2010, 2010


Dieser Artikel ist Teil einer Reihe von Artikeln über die mögliche gescheiterte mittelalterliche Stadtgründung von Griesheim, die möglichen Gründer (Grafen von Katzenelnbogen) und die Frage, wie diese die Macht in Griesheim übernommen haben. Zu der Artikelreihe gehören:

 

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