Griesheim liegt in Hessen. Und das Zentrum von Hessen verortet man im Allgemeinen irgendwo im Rhein-Main-Gebiet. Dabei gehören viele Städte dieses Ballungsraumes noch gar nicht so lange zu Hessen. Frankfurt, der Taunus, der Rheingau, selbst die Landeshauptstadt Wiesbaden sind erst seit 1946 dabei. Auch Griesheim liegt außerhalb des ursprünglichen Gebietes von Hessen, dessen Zentrum weit von hier entfernt lag.
Die Ursprünge des heutigen Bundeslandes Hessen sind in der Antike zu finden. Römische Historiker berichten vom Volksstamm der Chatten, deren Siedlungsgebiet südwestlich der heutigen Stadt Kassel nahe von Fritzlar, und damit außerhalb des römischen Staatsgebietes lag. Das heutige Südhessen dagegen war ganz anders besiedelt und wurde zeitweise in das römische Imperium integriert.
Die Vorfahren der Chatten waren wohl germanische und keltische Einwanderer. Im Gegensatz zu den meisten anderen Volksgruppen Germaniens haben die Chatten nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches nicht den Standort gewechselt. Denn im Jahre 738 n. Chr. erwähnt der Missionar Bonifatius den Stamm Hessi, der an der Eder, Schwalm und unteren Fulda lebte, also im Stammesgebiet der Chatten. Der Name Chatten hatte sich wahrscheinlich über (nicht belegte Zwischenformen) wie Chatti, Hatti, Hazzi, Hassi, Hessi umgewandelt und sich zur heutigen Form Hessen verändert.
Die Hessen schafften es trotz ihres „Überlebens“ seit der Antike jedoch zunächst nicht, innerhalb des Fränkischen Reiches ein eigenes Stammesterritorium auszubilden. Während die später entstandenen Schwaben, Bayern und Sachsen eigene Herzöge stellten, waren die Hessen direkt in den fränkischen Machthabern unterstellt. Das hessische Gebiet wurde zunächst von einer schwäbischen Familie verwaltet und kam über Zwischenstufen an die Landgrafen von Thüringen. Nach dem Aussterben der dort herrschenden Ludowinger wurde das Gebiet aufgeteilt.
Es entstand 1263 die Landgrafschaft Hessen. Erste Hauptstädte waren Marburg und Kassel. Das stark zerfledderte Gebiet der Landgrafen umfasste nicht zusammenhängende Teile zwischen diesen Städten. Erst nach und nach konnten weitere Herrschaften erworben werden. Das Gebiet im heutigen Nordhessen wurde abgerundet.
Die Entwicklung des heutigen Südhessens hatte mit den Chatten oder den Hessen zunächst gar nichts zu tun. Rund um die ehemals römische Stadt Mainz und die ihr später den Rang ablaufende Stadt Frankfurt am Main war ein Flickenteppich von verschiedenen Herrschaften entstanden, die sich wie einige Städte selbst verwalteten oder von geistlichen oder weltlichen Herren regiert wurden. Mehr und mehr Einfluss hatten die Grafen von Katzenelnbogen im Bereich zwischen Frankfurt und Heidelberg gewonnen. Sie hatten dort ein kleines Territorium mit der Hauptstadt Darmstadt aufgebaut, zu dem auch Griesheim gehörte.
Verbindungen zwischen den Katzenelnbogenern und den Landgrafen von Hessen gab es durch die Heirat von Anna von Katzenelnbogen und des Landgrafen Heinrich III. von Hessen im Jahr 1457. Diese Hochzeit hatte große Konsequenzen für das heutige Südhessen. Denn als Annas Vater Philipp von Katzenelnbogen 1479 starb, war sie die einzige Erbin. Der gesamte katzenelnbogische Besitz gelangte so an die Landgrafschaft Hessen.
Griesheim wurde somit 1479 auch hessisch.
Der Ort und das benachbarte Darmstadt gelangten aber zunächst in eine Randlage fernab des hessischen Zentrums in Kassel. Als Glücksfall erwies sich jedoch die Erbteilung Hessens 1567, die die Landgrafschaft in vier Teile zerlegte. Mit der neuen Landgrafschaft Hessen-Darmstadt entstand (unter neuem Namen) im Prinzip die ehemalige Grafschaft der Katzenelnbogener wieder. Darmstadt wurde aus seiner Randlage befreit und blieb lange Zeit Hauptstadt des südlichen Teiles von Hessen.
Erst die Alliierten beendeten die fast vierhundertjährige Zersplitterung des Landes im Jahr 1946. Unter dem Begriff Groß-Hessen wurden fast alle Teile Hessens und Teile von Nassau und weiterer kleiner Territorien zusammengefasst. Dieses heutige Bundesland Hessen hat allerdings seinen politischen, bevölkerungstechnischen und wirtschaftlichen Schwerpunkt heute im Süden. Das ursprüngliche Hessen im Norden ist ein bißchen in Randlage geraten.
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