Revolution in Griesheim

Heute vor 100 Jahren, am 8.11.1918, brach in Hessen die Revolution aus. In der Folge wurde auch bei uns die Monarchie beseitigt und die Republik ausgerufen. Ihren Ausgangspunkt hatte die Revolution auf Griesheimer Gemeindegebiet.

Vorgeschichte

Im November 1918 dauert der Erste Weltkrieg schon über vier Jahre. Die Kriegshandlungen auf allen Kontinenten der Erde hatten bereits Abermillionen von Toten gefordert und ganze Landstriche völlig zerstört. Im Herbst 1918 war absehbar, dass die Mittelmächte Deutschland, Österreich-Ungarn, Bulgarien und Osmanisches Reich nicht einen weiteren Winter überstehen würden. Spätestens seit September 1918 gab es verschiedene Bemühungen um einen Waffenstillstand. Dessen ungeachtet bereitete die deutsche Admiralität, wohl ohne das Wissen der deutschen Regierung, das Auslaufen der deutschen Kriegsflotte vor, um die Britische Flotte, die Themsemündung und die Küste Flanderns anzugreifen. Obwohl man davon ausging, dass dieser Angriff möglicherweise alle 80.ooo Matrosen auf den deutschen Schiffen das Leben kosten könnte, wurden erste Auslaufbefehle erteilt. Der Admiralität ging es mit dieser sinnlosen und menschenverachtenden Aktion um ein Frage der Ehre, man wollte mit wehenden Fahnen untergehen, das Wohl der eigenen Leute war der Führung egal.

Auf einigen Schiffen kam es daher zu Befehlsverweigerungen. In der Folge schlossen sich auch Soldaten an Land der Meuterei an, ebenso wie zahlreiche Hafenarbeiter, zuerst am 1. November in Kiel, später in Wilhelmshaven, den beiden Hauptsitzen der deutschen Marine. Es wurden Arbeiter- und Soldatenräte gebildet, die rasch die Kontrolle über das militärische und zivile Leben der Städte übernahmen. Nach wenigen Tagen hatte diese „Novemberrevolution“ auch Hamburg (6.11.), München (7.11.) und schließlich die Reichshauptstadt Berlin (9.11.) erfasst. Dort wurde am gleichen Tag die Abdankung des Kaisers bekannt gegeben und die Republik von Philipp Scheidemann (SPD) und separat von Karl Liebknecht (Spartakusbund) ausgerufen.

Hessen

Einen Tag zuvor, am 8. November 1918, hatte die Revolution auch Hessen erreicht. Eines der größten Truppenlager des Landes befand sich damals auf dem Griesheimer Sand südöstlich von Griesheim und westlich von Darmstadt. Da die Gemeindegrenzen anders als heute verliefen, befand sich das Lager damals vollständig auf Griesheimer Gemeindegebiet. Wie zuvor in Kiel und an vielen anderen Orten bildeten auch hier die Truppen schnell gewählte Soldatenräte. Etwa 5.000 bis 7.000 Soldaten nahmen an der Revolte teil, die nicht auf das Kasernengelände begrenzt blieb. Am nächsten Morgen begannen die Truppen, in die nahe gelegene damalige Hauptstadt des Großherzogtumes Hessen, nach Darmstadt, zu ziehen.

Das Neue Palais befand sich an der Stelle der heutigen Georg-Büchner-Anlage vor dem Staatstheater.

Dort wurden zahlreiche öffentliche Gebäude besetzt. Eine Erstürmung des Neuen Palais, der großherzoglichen Residenz, unterblieb allerdings.  Stattdessen erklärten ein Vertreter der Soldaten, Hieronymus Elsäßer und zwei Politiker der Darmstädter SPD (Heinrich Delp und Wilhelm Knoblauch) die Absetzung des Großherzoges. Am 9. November wurde durch den Vorsitzenden des Darmstädter Arbeiter- und Soldatenrates Carl Ulrich (SPD) in Hessen die sozialistische Republik ausgerufen. Später wurde diese zum „Volksstaat Hessen“, dessen Staatspräsident  Ulrich von 1919 bis 1928 war.

Ausblick

Leider war der ersten deutschen Republik und dem Volksstaat Hessen kein langes Dasein beschieden. Viele gaben die Schuld für den verlorenen Ersten Weltkrieg, die harten Bedingungen der Siegermächte und die wirtschaftlichen Probleme nicht den tatsächlichen Verursachern, nämlich der Monarchie, dem Militär und der Wirtschaftsführern, sondern den Politikern der demokratischen Parteien, die nach 1918 die Geschicke des Landes bestimmten und der demokratischen Verfassung an sich. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurden die demokratischen Strukturen rasch wieder beseitigt.

Bildquelle Titelbild: Fotomontage auf einem Foto des Stadtarchives Griesheim, das die heutige Lilienthalstraße auf dem ehem. Schießplatzgelände zeigt.


 

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