Die älteste Darstellung Griesheims

Auf einer Karte von 1575 findet sich die älteste bekannte Darstellung Griesheims. Eigentlich handelt es sich bei dieser Karte um eine Straßenkarte. Trotzdem sind aber neben diversen Straßenverbindungen und Flussläufen auch zu jede Menge kleine Ortsansichten eingetragen – auch eine von Griesheim. Wir haben damit die älteste bekannte Darstellung Griesheims vor uns.

Eine Gesamtdarstellung der Karte in hoher Auflösung finden Sie hier auf der Seite von Kristof Doffing. Dort haben Sie auch die Möglichkeit, eine Version mit lesbaren Ortsnamen anzuschauen, soweit diese entzifferbar sind.

Zu welchem Zweck die Karte angefertigt wurde, ist leider unbekannt. Sie beruht nicht auf einer exakten Vermessung, sondern hat eher den Charakter einer freien Skizze. Dargestellt ist im Prinzip das Gebiet, das wir heute als Südhessen bezeichnen würden. Der Kartenausschnitt reicht von Heppenheim im Süden bis Frankfurt im Norden, von Oppenheim im Westen bis Groß-Umstadt im Osten. Im Nordwesten ist die Mündung des Mains in den Rhein mit der Stadt Mainz zu sehen. Im Zentrum der Karte ist Darmstadt eingetragen.

Thema der Karte scheinen die Straßenverbindungen von und nach Darmstadt zu sein, denn dargestellt ist ein Straßennetz mit eben dieser Stadt als Mittelpunkt. Andere Verbindungen der dargestellten Orte untereinander sind meistens nicht dargestellt, obwohl wir natürlich recht genau wissen, dass es solche Direktverbindungen gab. Eine Ausnahme bildet der Bereich um Groß-Gerau, denn von dieser Stadt aus sind ebenfalls sternförmig ausstrahlende Straßenverbindungen dargestellt.

Noch spannender als die Straßenverläufe sind jedoch die Ortsansichten. Sie sind jedoch allesamt mit Vorsicht zu genießen, da sie idealisiert dargestellt wurden und einen unterschiedlichen Grad an Realismus zeigen.

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Oppenheim in der Karte von 1575. Quelle: s. unten

Ein Beispiel, bei dem ein Ort strukturell ganz gut dargestellt ist, ist Oppenheim am oberen Ende der Karte. Die Darstellung zeigt ganz richtig die Staffelung der Stadt: Unten die Bürgerstadt, davor der Rhein mit der Fähre, darüber die Kirche, darüber wiederum die Burg Landskrone. Rechts neben der Burg meint man auch die dort tatsächlich vorhandenen Burgmannenhäuser erkennen zu können. Keinen Wert legte der Zeichner der Karte jedoch auf die richtige Darstellungen der Architektur. Die heute noch erhaltene Katharinenkirche hat scheinbar nichts mit der dargestellten Kirche zu tun. Auch die anderen Gebäude sind nicht zu erkennen. Eine Ausnahme bildet aber der Turm in der Burg: Eine solche Dachbekrönung wie gezeichnet war dort tatsächlich bis zur Zerstörung der Burg und der Stadt 1689 vorhanden.

Auch recht genau ist die Stadt Rüsselsheim mit der Festung dargestellt.

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Frankfurt auf der Karte von 1575. Rechts ist die Sachsenhäuser Warte zu sehen. Quelle: s. unten

Fast nicht wieder zuerkennen ist dagegen die Stadt Frankfurt, von deren Aussehen um die Entstehungszeit der Karte wir recht genau Bescheid wissen. Zwar ist die Lage am Fluss richtig wiedergegeben, ebenso wie die „Aufteilung“ der Stadt in einen größeren nordmainischen Teil und einen kleineren südmainischen (Sachsenhausen). Auch ist südlich die Sachsenhäuser Warte einigermaßen richtig wiedergegeben. Die Form der Stadt und die dargestellte Architektur erscheint aber willkürlich gewählt und nicht realistisch.

Diese Beobachtungen ließen sich an den anderen Orten fortsetzen. Größeren Wert hat der Zeichner auf die Darstellung von Wegmarken entlang der Straßen gelegt. Dargestellt sind deshalb auch Zollstationen und Brücken. Weniger wichtig waren die Orte selbst, von denen nur wenige einzelne Elemente korrekt wiedergegeben werden. Die Karte erscheint damit wie das Gedächtnisprotokoll einer Person, die die jeweiligen Strecken öfter entlanggereist ist und die sich von den Orten nur Einzelbilder eingeprägt hat.

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Darmstadt 1575

Selbst Darmstadt, dass ja das Zentrum der Karte ist, weicht von diesem Befund nicht ab. Korrekt sind die damals vorhandenen drei Stadttore zu erahnen, das Schloss dagegen fehlt völlig. Die damals aufkommende Mode der Schweifgiebel ist bei dem mittleren Tor schon zu sehen. Die Stadtkirche erscheint sehr idealisiert. Die Zuordnung der drei dargestellten Türme erscheint schwierig. Wahrscheinlich sind neben dem Kirchturm zwei Türme der Stadtmauer gemeint.

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Darstellung von Griesheim in der Karte von 1575. Quelle: s. unten.

Für Griesheim stellt sich daher die Frage, welche Erkenntnisse man aus der Ortsdarstellung auf der Karte ziehen kann. Hatte Griesheim 1575 wirklich einen so spitzen Kirchturm? Leider verliert die Zeichnung noch mehr Aussagekraft, wenn man diese mit der Darstellung von Büttelborn vergleicht.

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Büttelborn auf der Karten von 1575. Quelle: s. unten

Büttelborn wurde nämlich nahezu identisch gezeichnet. Auch dort liegt eher links ein spitzer Kirchturm und auch dort schließen sich rechts die Gebäude an. Es ist also gut vorstellbar, dass beide Orte vom Zeichner direkt nacheinander zu Papier gebracht wurden, und für beide Orte wählte er eine schematische Darstellung, die leider nichts über das damals vorhandene Ortsbild aussagt.

Gar nichts?

Nicht ganz. Wenn man sich die Darstellung von Griesheim und Büttelborn anschaut, fällt der ovale Schwung auf, der den Ort unten begrenzt. Vergleicht man dies mit den anderen Orten, so stellt man fest: Bei einigen weiteren Dörfern ist dies ebenfalls so dargestellt. Hiermit könnte eine Ortsbefestigung dargestellt worden sein, vergleichbar mit den Stadtmauern, die man bei einigen Städten ausmachen kann.

Die Darstellung von Ortsbefestigungen in einer Straßenkarte ist sinnvoll. Denn befestigte Orte boten dem Reisenden eine gewisse Sicherheit. Und er musste beachten, dass die Tore von solchen Orten nachts verschlossen wurden, er sich also zu später Zeit einen Umweg suchen musste.

Auch Griesheim könnte eine Ortsbefestigung besessen haben, wie Sie hier nachlesen können. Über mögliche Tore an den Eingängen nach Griesheim habe ich hier geschrieben. Die Karte könnte also ein weiterer Hinweis sein, dass es so eine Befestigung tatsächlich gab.

Und die Karte liefert uns die Erkenntnis, dass man Griesheim 1575 Grießheim geschrieben hat. Dabei können das die Griesheimer doch gar nicht leiden.

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Gehaborner Hof, 1575.

Übrigens ist auf der Karte auch der Gehaborner Hof zu sehen, der an der heute nicht mehr existierenden direkten Straße von Darmstadt nach Groß-Gerau lag. Über ihn werden wir im nächsten Artikel etwas mehr hören.


Quelle:

Alle Darstellungen stammen von der Seite von Kristof Doffing.

 

 

2 Gedanken zu „Die älteste Darstellung Griesheims“

  1. Kristof Doffing hat auf Facebook kommentiert:
    Zunächst ein Hinweis auf meinen Blogpost zu dieser Karte: http://leicht.ykom.de/beitrag/P1493034423p
    Dort findet man unten auch einen plausiblen Hinweis auf die Enstehung der Karte: „“Vertrag zwischen Kurpfalz und Heßen wegen des Geleits in der Bergstraße, auch von Oppenheim aus nach Frankfurt“ vom 15. Februar 1575″. Zumindest ist der Zusammenhang mit irgendwelchen Geleit-Streitigkeiten sehr wahrscheinlich. Es sind Strecken zwischen Frankfurt – Bergstraße, Worms und Oppenheim dargestellt, alles damals „umstrittene“ Reiserouting, insbesondere beim Messegeleit. Damals begann ja Darmstadt an Bedeutung zu gewinnen und man stritt sich oft und handfest mit Mainz um dieses lukrative Privileg. Die Wegmarken wie Schläge und Pforten (und evtl auch die Auswahl der Orte) deutet auch darauf hin. In Langen bzw. Sprendlingen lagerte das Geleit von und nach Frankfurt. Oppenheim ist ein wichtiger Wegpunkt, auch nach Worms, deshalb ist evtl. das Rheinufer so detailliert dargestellt, auch mit nachträglichen „Kritzeleien“.

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