Bar-le-Duc

Die ungleiche Schwester

Griesheim ist mit vier europäischen Städten verschwistert: Wilkau-Haßlau in Sachsen, Gyönk in Ungarn, Pontassieve in Italien und Bar-le-Duc in Frankreich. Letztere ist wohl die bekannteste der Gruppe, was nicht zuletzt daran liegt, dass der Platz-Bar-le-Duc an prominenter Stelle den Namen der französischen Schwester häufig ins Bewusstsein ruft.

Doch wie ist es da eigentlich, in Bar-le-Duc? Vorneweg sei die Frage so beantwortet: anders.

Städtepartnerschaften gibt es seit der Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Um gegenseitigen Austausch und Verständnis zu fördern wurden so Verschwisterungen oder Partnerschaften zwischen zwei Kommunen begründet, die erste zwischen einer französischen und einer deutschen Stadt entstand 1950.

Zueinander finden Städte oft über persönliche Beziehungen, es werden aber auch Partner gesucht, die sich in Größe, Lage, Struktur und Geschichte ähnlich sind. Solche Gemeinsamkeiten scheinen aber bei der Findung von Bar-le-Duc und Griesheim keine Rolle gespielt haben. Die beiden Städte, deren Partnerschaft schon seit 1975 besteht, unterscheiden sich doch recht stark:

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Die Präfektur in Bar-le-Duc: Sitz der Verwaltung des Départements Meuse (55).
  • Griesheim hat bald 30.000 Einwohner, Bar-le-Duc nur 16.000.
  • Griesheim liegt wasserlos in einer großen Ebene, Bar-le-Duc liegt im Hügelland und wird von einem Fluß durchzogen
  • Griesheim ist Teil des Ballungsraumes Rhein-Main, Bar-le-Duc liegt recht einsam fernab aller wichtigen Zentren im ländlichen Raum
  • Griesheim ist strukturell weitgehend ein Vorort einer banachbarten Großstadt, Bar-le-Duc ist Hauptstadt eines ganzen Départements.
  • Griesheim war, anders als Ihnen dieser Blog weis machen will, geschichtlich nicht sonderlich bedeutend. Bar-le-Duc war seit gallorömischen Zeiten eine wichtige Ansiedlung, deren heutige Bedeutung eher rückläufig ist.
  • Griesheim ist kulturell gesehen  völliges Ödland, während es in Bar-le-Duc eine Kulturszene gibt.
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Bar-la-Ville: der geschichtlich älteste Teil mit der Kirche Notre-Dame.

Städtebaulich bietet Bar-le-Duc auf kleiner Fläche eine Ansammlung von Siedlungskernen aus den unterschiedlichsten Zeiten. Östlich des Flusses Ornain liegt das Quartier Bar-la-Ville. Hier liegen die historischen Ursprünge der Stadt. Neben der Kirche Notre-Dame, der ältesten Kirche der Stadt, die immer noch das religiöse Zentrum bildet, findet man hier das Touristenbüro.

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Geht man Kern des Quartiers in Richtung Westen, stößt man auf die „Terrasses de Griesheim„, über die Sie hier mehr lesen können. Sie liegen direkt am Ufer der Ornain. Die historische Brücke trägt eine kleine Kapelle.

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Stadtplan Bar-le-Duc: die touristisch interessanten Quartiere sind in orangener Schrift bezeichnet. Kartengrundlage: Opentopomap

Westlich des Flusses liegt das Quartier Bourg, eine geplante Stadtanlage, die im 11. Jahrhundert begonnen wurde. Sie stellte die Verbindung her zwischen dem ältesten Teil und der Burg, die sich auf einem westlichen Berghang entwickelt hatte. Im Stadtplan ist noch gut die eigenständige Befestigung des Quartiers anhand der ovalen Form zu erkennen.

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Das Musée barrois ist in einem der wenigen baulichen Überreste des Schlosses untergebracht.

Die Burg (Chateau) wurde im Verlauf der französischen Revolution zerstört. Wenige bauliche Reste sind erhalten, die heute ein Museum beherbergen. Ehemals residierten hier die Herzöge von Bar, die sich auch im Namen der Stadt wiederfinden: frz. Duc = dt. Herzog. Durch den Namenszusatz unterscheidet sich Bar-le-Duc von anderen Städten gleichen Namens, wie z.B. Bar-sur-Aube, das übrigens mit Gernsheim verschwistert ist.

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Adelspalais mit Renaissancefassade in der Oberstadt

Kunsthistorisch ist die Oberstadt der bedeutendste Stadtteil. Er liegt auf einem Bergsporn südlich des Schlosses. Ursprünglich war dieses Quartier dem Adel vorbehalten, man kann das noch an den zahlreichen Renaissancebauten erkennen. Zentrum der Oberstadt ist die Place Saint-Pierre. An ihr liegt die spätgotische Stiftskirche St.-Étienne (=St. Stephan), die fast die Größe einer kleinen Kathedrale erreicht, aber niemals Bischofssitz war.

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Auf der Place St-Pierre: links die Stiftskirche St.-Étienne, rechts das Hôtel de Florainville.

Nordwestlich der Kirche liegt das Hôtel de Florainville, das von einem Vogt mit diesem Namen 1577 erbaut wurde. Ab 1752 diente es als Rathaus, heute als Justizpalast.

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Blick auf den ehemaligen gedeckten Markt: zahlreiche Bögen sind in den nachfolgend eingebauten Wohnhäusern erhalten. In ihnen lagen ursprünglich die Marktstände.

Nördlich liegt ein Baublock, der ursprünglich vollständig von einem gedeckten Markt überbaut war. Mit vorsichtigen Maßnahmen wird versucht, die baulichen Überreste des Marktes wieder sichtbar zu machen, z.B. die Bogenkonstruktionen, die noch erhalten sind.

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Tour de l´Horloge

Am Osthang der Oberstadt liegt das Wahrzeichen der Stadt: Die Tour de l´Horloge (Uhrturm). Urspünglich war dieses Gebäude ein Teil der Stadtbefestigung. Heute ist der Turm aus vielen Teilen der unteren Stadt gut sichtbar. Dort unten liegt auch das wirtschaftliche Zentrum der Stadt. Während die Oberstadt ein eher beschauliches Dasein hat und nur während des alljährlichen Renaissancefestivals zum Leben erweckt wird, findet das Leben heute eher auf dem Boulevard de la Rochelle statt, der im 19. Jahrhundert als breite Prachtstraße außerhalb der Stadtmauern angelegt wurde.

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Großstädtische Architektur am nördlichen Ende des Boulevards de la Rochelle.

Zahlreiche Geschäfte säumen diesen Boulevard und einige Nebenstraßen. Die teils großstädtische Architektur täuscht hier darüber hinweg, dass man sich in einer Stadt mit lediglich 16.000 Einwohnern befindet.

Wer mehr über diese hübsche Partnerstadt Griesheims wissen will, dem sei folgendes Buch empfohlen: Laurent Stocker: Bar-le-Duc, musées, architectures, paysages, Editions du patrimoine, Paris 2013. Auf 113 Seiten werden zahlreiche Informationen über die Stadt und die Umgebung mit vielen Illustrationen und Plänen dargestellt, die weit über das übliche Maß eines Reiseführers hinausgehen. Allerdings liegt das Buch nur in Französisch vor.

Alternativ zum Lesen lohnt sich natürlich der Besuch der Stadt. Von Griesheim dauert es etwa dreineinhalb Stunden mit dem Auto. Einige Kilometer nördlich der Stadt liegt ein Bahnhof an dem der TGV zwischen Saarbrücken und Paris hält. Ebenfalls nördlich lohnt der Besuch der Stadt Verdun, die an einige der unglücklichsten Ereignisse der deutsch-französischen Geschichte erinnert. Dort ist auch die touristische Infrastruktur besser. In Bar-le-Duc selbst gibt es nur ganz wenige Hotels.

Bitte beachten Sie auch den Kommentar zu diesem Artikel weiter unten.

Ein Gedanke zu „Bar-le-Duc“

  1. Gabriele Winter hat mir auf Facebook zu diesem Artikel einen Kommentar verfasst, den ich hier nochmal wiederholen möchte, damit er nicht verloren geht. Sie schreibt:

    „Griesheim suchte eine Stadt in Frankreich, um den wichtigen Gedanken des Friedens und der Freundschaft in Europa voranzutreiben. Über öffentliche Stellen, die für die Vermittlung solcher Partnerschaften in Frankreich und Deutschland zuständig waren, suchte Griesheim eine französische Stadt, die nicht zu weit von uns entfernt liegt, damit die Städtepartnerschaft auch gelebt werden kann, damit also möglichst zahlreiche gegenseitige Besuche und Aktivitäten nicht an der Entfernung scheitern. Und das ist wirklich gelungen! Übrigens waren Griesheim und Bar-le-Duc, auch das sollte ein Auswahlkriterium sein, ursprünglich in etwa geich groß bezogen auf den Einwohnerzahl, hatte Griesheim doch vor 40 Jahren um die 16.600 Einwohner. Allerdings ist unsere Stadt rasant gewachsen, während Bar-le-Duc nach wie vor damit kämpft, dass vor allem die jüngeren Leute in die Zentren wie Paris, Reims oder Nancy ziehen. Ja, und last but not least führte die ähnliche Vergangenheit der beiden Bürgermeister, die 1975 im Amt waren, dazu, dass aus einer vermittelten Städtepartnerschaft eine wirkliche Freundschaft entstand. Hans Karl und Jean Bernard verbanden einerseits die jeweiligen traumatischen Erfahrungen aus dem zweiten Weltkrieg und andererseits die tiefe Erkenntnis, dass nur diejenigen, die sich persönlich kennen, auch gemeinsam für Frieden und Freundschaft eintreten können. Beide Bürgermeister waren überzeugte und engagierte Europäer, die die europäische Idee zu den Menschen vor Ort getragen haben. Dass Jean Bernard hervorragend deutsch sprach, war ein weiterer Glücksfall. Bar-le-Duc und Umgebung sind wirklich einen Besuch wert! Als langjährige Vorsitzende des Verschwisterungskomitees kann ich alle Griesheimerinnen und Griesheimer nur animieren, diese schöne Stadt am Ufer des Ornain kennen zu lernen. Mein Freund Daniel (Bersweiler), Vorsitzender des Verschisterungskomitees in Bar-le-Duc spricht ebenfalls sehr gut deutsch und freut sich immer, Gäste aus der Partnerstadt zu empfangen!“

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