Das zweitgrößte Naturschutzgebiet in Hessen

In nicht einmal 14 Kilometern Entfernung von Griesheim befindet sich das zweitgrößte Naturschutzgebiet in Hessen: der Mönchbruch zwischen Mörfelden und Rüsselsheim. Er ist nicht nur für diejenigen eine Reise Wert, die sich für Landschaft, Flora und Fauna interessieren. Er zeigt auch, wie Teile der Griesheimer Westgemarkung einmal ausgesehen haben könnten.

Das Gebiet des heutigen Mönchbruchs liegt in einem riesigen unbesiedelten Waldgebiet. Zwar war die Gegend für den Menschen offensichtlich schon in vorgeschichtlicher Zeit interessant: Einige Hügelgräber auf den Sanddünen entlang der Bundesstraße 486, die hier in Ost-West-Richtung durch das Naturschutzgebiet verläuft, zeugen noch davon. Allerdings sind weder aus dieser Zeit noch aus den nachfolgenden Epochen Siedlungsspuren vorhanden.

IMG_0614Dies hat einen einfachen Grund, der sich im Namenszusatz „-bruch“ schon andeutet: Das Gebiet ist ziemlich feucht. Zahlreiche Bachläufe aus dem Nordosten kommend durchziehen es. Da es aber kein allzu großes Gefälle gibt, kann Feuchtigkeit nicht immer abtransportiert werden. So entstanden nach der Eiszeit hier große Sumpfgebiete.

Sandverwehungen aus westlich gelegenen Flussgebieten sorgten jedoch für die Entstehung von einigen Dünen. Diese ermöglichten es, den Mönchbruch in Ost-West-Richtung zu passieren. Diese Passage muss von großer Bedeutung gewesen sein, sodaß entlang der Strecke die oben genannten Hügelgräber angelegt wurden. Die B486 folgt noch heute dem uralten Weg.

Im frühen Mittelalter wurde der Mönchbruch noch Faulbruch genannt, ein weiterer Hinweis auf seine nicht gerade lebensfreundlichen Eigenschaften (zumindest wenn man ein Mensch ist – für Schlangen und Frösche geht es ganz gut). Er war Teil des Jagdgebietes „Wildbann Dreieich“, dass direkt dem Kaiser unterstand.

1128 wurde der „Pfulenbruch“ erstmals erwähnt, als der Kaiser das Gebiet an die Grafen von Hagen-Arnsburg-Münzenberg abgab, die für ihn wichtige regionale Vasallen waren und rund um das heutige Rhein-Main-Gebiet zahlreiche Burgen angelegt hatten, um das Gebiet für den Kaiser zu sichern. Sie verwalteten auch den Wildbann Dreieich.

1211 schenkte der letzte der Grafen den Faulbruch an die Mönche des Klosters Eberbach im Rheingau. Diese übernahmen überall im hessischen Ried Ländereien und gründeten dort landwirtschaftliche Betriebe. Als Zisterziensermönche waren sie technisch in der Lage, Landschaften urbar zu machen. Außerdem waren sie eng mit dem Grafenhaus Katzenelnbogen verknüpft, das in der Zeit langsam aber sicher die Macht in der Region übernahm.

Der „Faulbruch“, der nun zum „Mönchbruch“ wurde, gehörte zum Hof Haßloch (heute Stadtteil von Rüsselsheim). Den Mönchen gelang es allerdings nicht, das Gebiet zu entwickeln, wahrscheinlich haben sie es auch gar nicht versucht, da sie in der Zeit in anderen Bereichen des Riedes wesentlich aktiver waren. Lediglich als Holzquelle nutze man den Wald und transportierte immerhin zwei Wagen Holz pro Tag hinaus.

1330 (das ist das Jahr, in dem Darmstadt als zukünftige katzenelnbogische Hauptstadt die Stadtrechte erlangte) verkauften die Mönche den Mönchbruch wieder, und zwar an die Herren von Münzenberg.

1608 erwarb dann der Landgraf von Hessen (er hatte die schon 1479 ausgestorbenen Katzenelnbogener beerbt) den Mönchbruch. Erst jetzt begann der Mensch, massiv in die Natur einzugreifen: Entwässerungsgräben wurden gezogen, um den Sumpf trocken zu legen. Ein Damm wurde angelegt, um einen Fischteich aufzustauen. Es entstanden die heute sichtbaren Wiesen, die als Viehweide oder zur Futtergewinnung genutzt wurden. In einigen Bereichen begann man, aus den Sumpfflächen Torf abzubauen.

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Jagdschloss Mönchbruch

1730-32 erbauten dann die Landgrafen das in Teilen bis heute erhaltene Jagdschloss. Nach einigen Jahren des Verfalls präsentiert es sich heute in gutem Zustand und wird weiter saniert. Drei von sechs ursprünglich vorhandenen eingeschossigen Pavillons mit Mansarddächern sind noch vorhanden, ebenso wie die Nebengebäude.

Schon im 19. Jahrhundert erkannte man die Besonderheit des Mönchbruches. Alter Baumbestand aus Erlen und Eichen, Tümpel und Feuchtwiesen, Röhrichte und Sümpfe prägten damals wie heute das Bild. Seltene Pflanzen wie das Fleischfarbene Knabenkraut, eine heimische Orchideenart finden sich hier ebenso wie Bekassine und Kiebitz aus der Vogelwelt. Dammwild ist oft gut zu beobachten (deswegen das Jagdschloss, s. oben).

Seit 1954 stehen 48 Hektar unter Naturschutz. Diese Fläche wurde immer wieder erweitert, zuletzt 1995 auf 937 Hektar, womit Hessens zweitgrößtes Naturschutzgebiet entstand.

Der Mönchbruch ist heute außerdem Teil des Regionalparkes Rhein-Main. Zu diesem Projekt gehören größere finanzielle Budgets, mit denen die Verbesserung der Wege und der Beschilderungen, das Einrichten von Rastplätzen und Aussichtspunkten und die Pflege der Natur bezahlt werden. (Warum nutzt man so etwas eigentlich nicht in Griesheim?)

IMG_0612Die Geschichte des Mönchbruches erinnert ein bißchen an die Geschichte der Landschaft im Griesheimer Westen. Auch hier wurden die vorherigen Sumpfgebiete ab dem Beginn des 17. Jahrhunderts durch die Anlage von Gräben trockengelegt und Torf abgebaut. Auch diese Gebiete dienten ursprünglich als Viehweiden. Auch hier fanden sich vorgeschichtliche Gräber. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird sich hier ein ähnliches Bild geboten haben wie am Mönchbruch.

Leider wurde im Zuge der Flurbereinigung im 20. Jahrhundert die entstandene Landschaft nicht konserviert (von alleine macht das die Natur auch am Mönchbruch nicht): Durch die Absenkung des Grundwasserspiegels und das Einbringen von Sand (aus abgebaggerten Sanddünen im Griesheimer Osten (bei dieser Gelegenheit wurden die vorgeschichtlichen Gräber ohne genauere Untersuchungen zerstört)) wurden die Flächen für die Produktion von Lebensmitteln aktiviert.

Übrigens gibt es noch eine Gemeinsamkeit: Das Feuchtgebiet rund um die ehemalige Mülldeponie in der Griesheimer Nordwestgemarkung heißt „Münchbruch“. Und auch hier ist der nächste ehemalige Wirtschaftshof der Mönche vom Kloster Eberbach nicht weit: Ihnen gehörte ursprünglich der Gehaborner Hof zwischen Griesheim und Weiterstadt. Zufall?


Fachwerkkirche in Worfelden
Fachwerkkirche in Worfelden

Den Mönchbruch kann man mit dem Auto erreichen. Mitten durch das Gebiet führt die Bundesstraße 486 von Rüsselsheim nach Mörfelden. Schöner wäre es aber, den Weg mit dem Fahrrad zurückzulegen. Von Griesheim aus fährt man dazu einfach die Schöneweibergasse immer nach Norden, folgt ihr als Feldweg bis nach Worfelden. Von dort geht es an der Fachwerkkirche vorbei nach Westen nach Klein-Gerau. An dessen nördlichem Ortseingang angekommen, geht es nun nach Norden, am Trifthof vorbei und im Wald über eine Brücke über die Eisenbahnstrecke Frankfurt-Mannheim.

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Gedenkstein für das Lustlager des Landgrafen Ludwig VIII im Jahr 1782. Das Monument wurde 1796 aufgestellt (hatte man in der Zeit nichts wichtigeres zu tun?).

Wer will kann einen kleinen Abstecher zu einem ziemlich vergessenen Denkmal im Wald machen, dass in allen guten Karten eingetragen ist.Es erinnert an ein Fürstenlager bei Groß-Gerau im 18. Jahrhundert. Wenn man dort nicht hin will, folgt man weiter dem Weg. Man erreicht so die Bundesstraße 44 nördlich von Groß-Gerau, die man überqueren muß. Auf der anderen Straßenseite beginnt ein ziemlich gerader Waldweg nach Norden, der bis zum Mönchbruch führt.

4 Gedanken zu „Das zweitgrößte Naturschutzgebiet in Hessen“

  1. Hallo und ein großes Lob für diese Seite und all die guten Recherchen über Griesheim und Umgebung. Nur muss ich in diesem Beitrag korrigieren, dass es sich bei dem 1211 und letztendlich 1219 erfolgtem (erst) Verkauf und Schenkung des „Fulenbruch“(bis 1189)/“Eberhardeswarenbruch(bis 1219)“ durch Eberhard Waro von Hagen, ein jüngerer Bruder Kunos von Münzenberg, nicht um den letzten Münzenberger handelte, sondern um den Stammvater der neuen Seitenlinie von Heusenstamm (auch als „Geware von Husilstam“ bekannt). Diesen Erbteil erhielt er wahrscheinlich Ende des 12. Jh. Ulrich II. war dann bis zu dessen Tod 1255 letzter männlicher Münzenberger. Und der Verkauf 1330 erfolgte daher auch an die Herren (Kuno) von Falkenstein, die über eine der 6 Erbtöchter im 13. Jh. an einen Teil des Münzenberger Besitzes gelangten. Ansonsten bestanden anhand alter Flurnamen bis etwa zum Hochmittelalter mindestens drei bis vier Ansiedlungen in und um den Möchbruch-Bereich („Hausen“ -Flurnamen urkundl. seit dem 13.Jh.-, „Höfgen“ -seit 1519- und laut dem Heimatforscher Dr. Metzner ein „Ostheim“ und ein „Eichen“. Wobei vieles auch für einen zeitweiligen Eberbacher-Nebenhof neben dem späteren Jagdschloss spricht (siehe Flurname „Im alten Hof“ und die Mönchbruchmühle, wenn diese auch erst ab 1619 als Neubau bezeugt). Den Wald durchziehen noch heute in einem weiten äußeren Bogen der Eichenreinweg als ehemalige Grenzschneise einer frühen Wüstung mit Zentrum in den Mönchbruchwiesen, wobei als südliche Grenze der Schwarzbach diente. Eine weitere innere Grenzschneise, die heute ebenfalls noch den Waldbezirk als Loogweg durchschneidet, zeugt von einer späteren Rundum-Verkleinerung der Gemarkung zugunsten der nördlich anschließenden Fünf-Dorf-Mark. Als weiteren Beweis einer frühen Siedlung treffen sich an der Mönchbruchmühle die heutigen Gemarkungen von Mörfelden, Nauheim und Rüsselsheim. Die Mönchbruchwiesen dürften so zeitweise schon wesentlich früher teils urbar gemacht worden seien. Ansonsten existierten im Wald noch mehrere Kohlenmeiler (auch Flurnamen) und ist mir persönlich auch ein Hinweis auf mögliche Glasverarbeitung bekannt. Liebe Grüße

  2. Erst einmal großes Lob für deine Seite und die guten Recherchen! Allerdings gibt es in diesem Beitrag etwas zu korrigieren. Der Fulenbruch (Name bis 1189) wird 1211 und 1219 (Eberhardeswarenbruch) erst durch Verkauf und schließlich als Schenkung nicht durch den letzten Münzenberger, sondern durch Eberhard Waro von Hagen, einen jüngeren Bruder Kunos von Münzenberg, der identisch ist mit dem Geware von Husilstam, dem Stammvater der Familie von Heusenstamm, dem Kloster Eberbach übergeben. Und da mit Ulrich II. von Münzenberg das Geschlecht 1255 ausstarb, erfolgte der Verkauf 1330 an Kuno von Falkenstein (waren im 13. Jh. lediglich über eine der sechs münzenbergischen Erbtöchter an einen Teil des Erbes gelangt).

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