Leg Dich nicht mit Frankfurtern an

Vor mehr als 620 Jahren wurde Burg Tannenberg über Seeheim zerstört

Die Bergstraße ist durch zahlreiche Burgen und Schlösser geprägt. Meist sind die alten Gemäuer an der Bergkante des Odenwaldes gut aus dem Tal zu sehen und genießen einen entsprechenden Bekanntheitsgrad. Das Auerbacher Schloss, die Burg Alsbach, die Starkenburg über Heppenheim oder Burg Windeck über Weinheim sind deshalb beliebte Ausflugsziele. Weniger bekannt ist, dass es ursprünglich viel mehr Burgen gab, als heute sichtbar sind. Dies liegt daran, dass viele der Wehrbauten nur kurze Zeit bewohnt waren und aufgegeben wurden, bevor ein aufwendiger Ausbau in Stein einsetzte. Andere Bauten dagegen wurden in kriegerischen Handlungen zerstört, sodass nur wenige Reste übrig blieben. Eine davon ist die Burg Tannenberg über Seeheim.

Burg Tannenberg wurde um 1200 von Kuno I. von Münzenberg erbaut, nachdem er von Kaiser Heinrich VI. die Verwaltung des Amtes Seeheim übertragen bekommen hatte. Innerhalb von relativ kurzer Zeit wurde die Burg, bestehend aus einer steinernen Hauptburg mit Wohngebäuden und Bergfried errichtet. Eine Vorburg mit Wirtschaftsgebäuden entstand im 14. Jahrhundert. Sogar eine zweite Vorburg wurde Ende des 14. Jahrhunderts begonnen, jedoch nicht vollendet.

Rekonstruierter Keller in der Hauptburg

Das Geschlecht der Münzenberger starb schon 1255 aus. Mehrere Erben teilten sich nunmehr den Besitz des Tannenberges, Ende des 14. Jahrhunderts waren es sogar 19 Ganerben, die Anteile an der Burg hatten. Einer davon war Hartmut von Kronberg, der sich um 1395 seinen Lebensunterhalt als Raubritter verdiente. Die Lage dafür war optimal: die unterhalb der Burg vorbeiziehende Bergstraße wurde von zahlreichen Händlern und Kaufleuten benutzt, die beispielsweise die Messen in Frankfurt am Main oder die Märkte in den Residenzstädten Heidelberg und Darmstadt aufsuchten.

Erhaltene Mauern der Vorburg

Schon nach kurzer Zeit hatte Hartmut so zahlreiche seiner Nachbarn gegen sich aufgebracht. Unter der Führung des Pfalzgrafen Rupprecht, der auf dem Heidelberger Schloss wohnte, bildete sich eine Allianz aus Fürstentümern und Städten. Diese entsandte 1399 ein Heer nach Seeheim, das die Burg Tannenberg zunächst 14 Tage trotz mitgebrachter Geschütze erfolglos belagerte, da die Burg recht gut befestigt war.

Schließlich entsandte die Stadt Frankfurt ihr größtes Geschütz ins heutige Südhessen. Mit Hilfe diese „Großen Frankfurter Steinbüchse“ wurde die Burg am 21.7.1399 erobert und fast völlig zerstört. Das Geschütz war in der Lage, 3,5 Tonnen schwere Steinkugeln abzufeuern. Einige der Kugeln sind auf dem Gelände heute noch zu sehen. Eine davon schlug in den Pulverturm ein und löste eine Explosion aus, die die Burgbesatzung zur Aufgabe zwang.

Burg Tannenberg ist damit eine der ersten Burgen, die durch die damals recht neu entwickelten Feuerwaffen erobert werden konnte. Übrigens besaßen nicht nur die Angreifer Geschütze, auch die Verteidiger nutzen Handfeuerwaffen, die in die Archäologiegeschichte als Tannenbergbüchsen eingegangen sind. Entsprechende Fundstücke sind heute im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg zu sehen.

Vor Ort auf dem Tannenberg ist mittlerweile auch wieder einiges zu sehen. Grabungen im Jahr 1849 hatten bereits die Burg untersucht. Nach weitergehenden Ausgrabungen in jüngerer Zeit begann man mit der Freilegung und Aufmauerung von Wandstücken. Heute erhält man so einen guten Überblick über die Ausmaße und das Aussehen der Burg.

Blick vom Bergfried in die Rheinebene nach Nordwesten.

Burg Tannenberg ist einfach mit der Straßenbahnlinie 8 von Darmstadt aus zu erreichen. Von der Haltestelle „Neues Rathaus“ sind nur 2 Kilometer Wanderweg und ein Höhenunterschied von etwa 250m zu überwinden. Noch schöner und weniger steil ist der Aufstieg jedoch aus östlicher Richtung vom sogenannten Märchenteich, der ebenfalls nicht allzu weit vom Seeheimer Ortskern entfernt liegt. Der Rundweg Alt-Seeheim – Märchenteich – Tannenberg – Alt-Seeheim ist etwas weniger als sieben Kilometer lang. Der 2017 mit einer Aussichtsplattform ergänzte Bergfried belohnt die Mühen des Weges mit einem weiten Ausblick in die Rheinebene, bei dem sogar Griesheim zu sehen ist. (Das Titelbild zeigt den Bergfried.)

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